Der Maler als kritischer Chronist
"Keiner ist vergesen, nichts ist vergessen."
Öl auf Leinwand, 70x50 cm, 2013
Der eindeutige inhaltliche Schwerpunk im Schaffen von Andreas Prediger lag seit 1991 auf den Bildern, die das Schicksal und - damit verbunden - die Geschichte der Russlanddeutschen darstellen.
In diesem Bild bringt er seine künstlerische Verantwortung zum Ausdruck - sowohl für das Wachhalten der Erinnerung an das schreckliche Gewesene, als auch für das Beobachten der heutigen Situation seiner Landsleute zwischen zwei Kulturen. Er sah sich hierfür als Zeitzeuge und kritischer Chronist.
Das Bild zeigt symbolhaft bekannte Monumente und Bauwerke beider Kulturen sowie die Bedeutung seines Glaubens und besonders seiner Verehrung für Papst Johannes Paul II für seine Inspiration als Künstler.
"Das Abendmahl des Russlanddeutschen Kongresses"
Öl auf Leinwand, 80x40 cm, 2003
Andreas Prediger engagierte sich - über seine Malerei hinaus - aktiv für die Belange der Russlandeutschen, besonders, nachdem 1988/1989 ihre Gesellschaft "Wiedergeburt" gegründet worden war. Deren Zielsetzungen umfassten - neben der Pflege von Traditionen, Kultur und Sprache - vor allem die vollständige Rehabilitation der Volksgruppe mit Wiederherstellung ihrer autonomen Republik an der Wolga und die Schaffung nationaler Landkreise mit kompakter deutscher Besiedlung in Russland. In der schwierigen Frage ihrer Realisierung (die politische Führung in Russland ließ hierfür kein wirkliches Entgegenkommen erkennen) entwickelten sich unterschiedliche Ansätze und Fraktionen, die ab 1991 zur Spaltung und Umbenennung der Gesellschaft führten.
Andreas Prediger unterstützte die Gruppe, die für eine territoriale Autonomie der Wolgarepublik eintrat.
In dem Bild wird diese Fraktion rechts und die andere (Autonomie ohne eigenes Territorium) links von der Jesusfigur gezeigt; den Hintergrund bilden Fenster mit Personen (z.B. Jelzin rechts), Symbole der "Wiedergeburt" sowie Plakate gegen eine Wolgarepublik im Unterschied zu dem Schild im Vordergrund mit der Bitte um Verbleib der Deutschen in Russland.
Andreas stellte diese Auseinandersetzungen hier zugespitzt kritisch dar; vor allem auch sein Jesus-Zitat hat manchen Widerspruch zu diesem Werk provoziert. Er ließ es sich dennoch nicht nehmen, auch weiterhin sowohl in seiner Malerei als auch publizistisch pointiert und zuweilen ironisch seine abweichende Meinung kundzutun.
"Eine Konsolidierung ist erforderlich"
Öl auf Leinwand, 105x80 cm, 2003
Da die Wiederherstellung der Wolgarepublik trotz aller Bemühungen für viele Russlanddeutsche Ende der 80er Jahre keine realistische Zukunftsoption mehr war, verstärkte sich in den 90er Jahren die zuvor schon in kleineren Kontingenten erfolgte Übersiedlung aus der ehemaligen UdSSR in die "Urheimat" Deutschland deutlich (bisher kamen seit 1950 von dort insgesamt knapp 2,4 Millionen). Es entstanden dann nach und nach - neben der seit 1950 bestehenden "Landsmannschaft der Deutschen aus Russland" als offizieller Ansprechpartner der Regierung - weitere Gruppierungen mit dem Anspruch auf Interessenvertretung für die Russlanddeutschen.
Die dabei auftretenden Kontroversen weckten die Befürchtung, dass so die Bemühungen um Integration und Anerkennung zersplittert würden.
Auch Andreas Prediger verfolgte diese Entwicklung mit Sorge; das Bild sollte - nicht ohne ironischen Unterton - den Verantwortlichen auf die Sprünge helfen, die Sache der Russlanddeutschen mit vereinten Kräften voran zu bringen.
Den für ihn unbefriedigenden Zustand stellt der Maler hier mittels eines Wagens dar, der nicht recht vom Fleck kommt, weil die Protagonisten uneinig sind und jeder das Gefährt in seine Richtung ziehen will. Die hierbei benutzten Symbole - Schwan (will hoch hinaus), Krebs (zieht sich meist zurück) und Hecht (taucht lieber unter) - sind der russischen Fabelwelt Iwan A. Krilows entlehnt.
"Die Unbeugsamen"
Öl auf Hartfaser, 90x60cm, 2015
In diesem unvollendeten Bild stellt Andreas Prediger Personen dar, die sich - wie er - engagieren, um zum einen die Erinnerungen an die Geschichte der Russlanddeutschen wach zu halten und zum anderen für ihre Belange in der heutigen Realität einzutreten.
Die angedeuteten Individuen sind um eine Skulptur gruppiert, die von Günther Hummel (rechts daneben) geschaffen wurde und den Titel "Der Unbeugsame" trägt, als Sinnbild auch für das hartnäckige Streben der Russlanddeutschen nach Anerkennung und voller Rehabilitation.
"Unschuldig, aber nicht rehabilitiert"
Öl auf Leinwand, 70x50 cm, 2013
In dieser Collage wendet sich Andreas Prediger erneut gegen jede Aufweichung der Forderung nach Rehabilitation mit Wiederherstellung der Wolgarepublik. Wieder dient - neben Symbolen des Glaubens und der Gerechtigkeit sowie Dokumenten und Bildern - Günther Hummels Skulptur "Der Unbeugsame" als Fanal für die Ablehnung jeglicher Nachgiebigkeit in dieser Sache und damit für den Protest gegen die Auffassungen der Person am Mikrofon.
"Mein Traum: Freundschaft Russland - Deutschland"
Öl auf Leinwand, 100x80 cm, 2012
Die Russlanddeutschen fühlen sich oft als Menschen zwischen zwei Kulturen, und auch Andreas Prediger empfing seine Prägungen einerseits durch seine Herkunft als Deutscher von der Wolga, andererseits durch die Schreckensjahre stalinistischen Terrors sowie durch das Leben in Sowjetrussland als Bergmann und später als Lehrer. Seine Zwangsverpflichtung nach Sibirien in die Trudarmee 1942 riss ihn aus seiner Familie und damit aus seinem damaligen deutschen Lebenskreis; er musste - wie Hunderttausende von Russlanddeutschen auch - lernen, in der neuen russisch dominierten Umgebung zu überleben und sich einzurichten. Dabei waren vor allem die Beherrschung der russischen Sprache und Anpassung an russische Bräuche und Denkweisen für ihn und später auch für seine große Familie lebensnotwendig.
Es wuchs in ihm mit der Zeit zudem die Bereitschaft, seinen Tätigkeiten sowohl ais Bergmann und später auch als Lehrer und Künstler mit Verantwortung und engagiert nachzugehen. Seine künstlerische Entwicklung führte ihn zudem - vor allem über seine akademische Ausbildung, literarischen Studien und die zahlreichen Kontakte mit russischen Künstlern - tief in die russische Sprache und Kultur. Aber trotz dieser starken russischen Prägungen fühlte Andreas sich stets als Deutscher und seinen Vorfahren, Verwandten sowie seiner Volksgruppe eng verbunden.
Bei aller Bitterkeit über die schlimmen Erfahrungen der Unterdrückung und Erniedrigung in der Sowjetunion spürte Andreas nach seiner Übersiedlung nach Deutschland weiterhin seine Bindungen an Russland und seine Kultur. Er war davon überzeugt, dass Frieden und Freundschaft mit dem Land, in dem er seit seiner Zeit in der Trudarmee mehr als 50 Jahre lang gelebt hatte, auch für die Zukunft seiner "Urheimat" wichtig sind.
"Hört auf Friedrich Schiller!"
Öl auf Leinwand, 60x50 cm, 2015
Andreas Prediger war zutiefst besorgt über die vielen kriegerischen Konflikte und die latente Gewaltbereitschaft. Er sah sich deshalb veranlasst, mit seiner Malerei auch für den Frieden zu wirken.
In diesem Bild zeigt er Friedrich Schiller - der ihm von den klassischen deutschen Dichtern am engsten ans Herz gewachsen war - hoch zu Ross als ein Fanal für pazifistische Moralität und Gewaltlosigkeit.
Es ging ihm konkret darum, in der aktuell schwelenden Konfrontation zwischen Russland und dem Westen zu Friedfertigkeit und Menschlichkeit zu mahnen und auf die latente Bedrohung vor allem auch durch die auf beiden Seiten vorhandenen Vernichtungswaffen hinzuweisen.
"Die Wahrheit über die große Lüge"
Öl auf Leinwand, 60x40 cm, 2014
Diese als Illustration des Buches von Leo Herman mit gleichem Titel entstandene Darstellung zeigt im Vordergrund das konservierte Haupt von Zar Nikolaus II. als Metapher für das Böse in der Ausprägung bolschewistischer Unmenschlichkeit. Dahinter ist die Troika Stalin, Kujbischew und Dserschinskij abgebildet, die sich wie verstohlen über neue blutige Pläne zu verständigen scheinen.
"Das Lächeln, die Wahrheit und die Lüge"
Öl auf Leinwand, 60x50 cm, 2014
Andreas Prediger beschäftigte sich über viele Jahre immer wieder mit der Möglichkeit einer bildlichen Darstellung von "Lüge" und "Wahrheit".
In diesem Bild setzte er das geheimnisvolle, letztlich unergründliche Lächeln der "Mona Lisa" beherrschend in den Vordergrund; die sich hinter einer solchen Fassade in der Seele verbergenden Gedanken und Empfindungen sah er - im Zusammenhang mit der menschlichen Unvollkommenheit und Abgründigkeit - meist gefangen in der ständigen Konkurrenz von Gut und Böse und - diesen vereinfachend zugeordnet - von Wahrheit und Lüge. Als deren Verkörperung sind hinter der Mona Lisa links Jesus bzw. Lenin auf der rechten Seite im Profil angeordnet.
Mona Lisas Lächeln steht hier zugleich aber auch als Symbol für die Hoffnung, diese unversönlichen Gegensätze überwinden und durch Schönheit und Wahrheit die Menschheit erhöhen zu können.
"Was ist Wahrheit?"
Öl auf Leinwand, 70x50 cm, 2008
Die Vorstellungen des Malers vom ständigen Kampf zwischen dem Guten und dem Bösen und der Notwendigkeit, sich für eine Seite entscheiden zu müssen, kommt in diesem Bild von Andreas Prediger in radikaler Form zur Darstellung: das Christus-Wort: "Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben" verstand er bildhaft als Rasiermesser, mit dem Gott die Trennung von Lüge und Wahrheit vollzieht und das Böse abstürzen lässt.